Reduzierte Formen der Verführung.
Eröffnungsrede anlässlich der Vernissage „Reduced and Seduced“

 

Von Dr. Johanna Aufreiter – Research Associate – Belvedere Museum Vienna

 

mit Werken von Asma Kocjan am 19.11.2018 in der HOLLEREI Galerie Wien

Reduziert und verführt – mehrdeutig und mit teils ironischem Augenaufschlag begegnen uns die Werke der Grazer Künstlerin Asma Kocjan anlässlich der Ausstellung „Reduced and Seduced“.

Im Zentrum dieser Werkschau steht als verbindendes Element die anonymisierte Figur, die anhand unterschiedlicher Techniken und Materialien visualisiert wird. Zeichnung, Acryl-Malerei und Collagetechnik verweisen auf den experimentalen Zugang der Künstlerin, die sich den unterschiedlichen Themensetzungen in jeweils einzelnen Schaffenszyklen nähert. Zwei dieser Serien werden in den Räumlichkeiten der HOLLEREI Galerie in einer stimmigen Gegenüberstellung präsentiert: Übermalte Röntgenaufnahmen (aus dem Zyklus X-Ray) treten in Dialog mit Amsa‘s Figurenbildern, die zu einem großen Teil eigens für diese Ausstellung konzipiert wurden.

 

Die Ursprünge dieser intensiven Auseinandersetzung mit der menschlichen Figur und vor allem deren Umsetzung in Acryl-Collagen-Mischtechnik finden sich bereits in den Anfängen von Asma Kocjan‘s künstlerischer Ausbildung. Nach der Matura besuchte sie die Meisterklasse für Malerei in der höheren Bundeslehranstalt für künstlerische Gestaltung in Linz und belegte anschließend ein Aufnahmestudium an der Angewandten Kunstakademie in Wien, wo sie u.a. ein Abstraktions-Workshop, in der es um intuitive Malerei ging, beeinflussen sollte. Von 1995 bis 1998 intensivierte sie ihre Beschäftigung mit Acrylmalerei an der Akademie der bildenden Künste in Prag und perfektionierte ihr Können in den folgenden Jahren unter Heranziehung der Collagetechnik. Von 2006 bis 2008 erfolgte ein Studium an der Kunstakademie Bad Reichenhall und seit 2007 ist sie Mitglied der Salzburger Künstlervereinigung.

 

Doch auch Aspekte aus Asma Kocjan‘s Arbeit als internationales Fotomodell (von 1985-2000) finden Eingang in ihr künstlerisches Schaffen. Werke wie „Unconcerned“ in Acryl-Mischtechnik auf Himalaya Papier oder auch „The Coveted Man“ erwecken den Eindruck der bewussten Positionierung der Figuren in einer eingefrorenen Pose vor einer Linse.

 

Die Figurenbilder Asma‘s sind einerseits durch eine reduzierte sowie filigrane Linien- und Formensprache, andererseits durch pastos aufgetragene Malschichten gekennzeichnet. Manchen Bildern unterliegen so regelrecht mehrere unterschiedliche Bild-Fassungen. In der ständigen Weiterbearbeitung anhand von Übermalungen und bewusst gesetzten Freilassungen liegt ein Wesenspunkt von Asma‘s Malerei. Als Beispiele hierfür seien die Werke „Islander“, „Night Walk in the Snow“ oder „Monde imaginaire“ hervorgehoben. Immer wieder überdeckt die Künstlerin ihre Arbeiten mit verhüllenden Schichten. Dabei kommen eine Vielzahl an Materialien zum Einsatz: Fotos, Zeitungsausschnitte, Stoffe, Servietten und Küchenrollen werden am Bildgrund befestigt, übermalt und teils wieder heruntergerissen. Die Übermalungen selbst erfolgen zumeist in Acryl, aber auch andere Substanzen wie zum Beispiel Epoxidharz (wie im Bild „At an Exhibition“) finden Anwendung. Die weitere Bearbeitung mittels Spachtel, Schwämmen und anderen Werkzeugen finalisieren die Gemälde, indem sie Kratzspuren in die Farbe eindrücken oder frühere Elemente wieder durchscheinen lassen. In dieser steten Auseinandersetzung zwischen Sichtbarkeit und Opazität dominieren gleichermaßen Maltechnik als auch Bildaussage.

 

Doch es ist nicht allein die Figur, die mittels Hervorhebung durch Kontur und Farbe zum Thema wird. Vielmehr geht es um die Bewegung als auch die Beziehungssetzung der einzelnen Personen im Bild. In „On Pulse of Time“ verleihen schnelle Striche und rinnende Farben dem Bild eine senkrechte Ausrichtung: Die schemenhaften Figuren verlaufen nach unten, werden in die Länge gezogen, doch gleichzeitig versuchen sie mittels angedeuteten Bewegungsabläufen nach rechts und links auszubrechen. Nicht zuletzt durch den raschen Pinselduktus in Verbindung mit diesen schwarzen Konturen wird die Bewegung im Bild glaubhaft gemacht. Und erst durch die Darstellung von Bewegung erschließt sich dem Betrachter der Bildinhalt eines gesellschaftlichen Events: Es sind Männer und Frauen, die wie es scheint auf einer Tanzfläche den Puls der Zeit schnelllebig repräsentieren.

 

Kommen wir jetzt zur zweiten Serie der Künstlerin in dieser Ausstellung, dem Röntgenzyklus. Die in New York entstandene Serie arbeitet stark mit farblichen Kontrasten: Provokativ offenbaren die schwarz-weißen Röntgenbilder den weiblichen Körper bis in seine innerste Struktur.

Das Verfahren selbst blickt gerade in Österreich auf eine lange Tradition zurück. So fand die erste Pressemeldung über die Entdeckung der Röntgenstrahlung sowie die erste diagnostische Anwendung und ebenso die erste Gefäßdarstellung 1896 in Wien statt. Bereits damals wurde die technische Errungenschaft nicht nur für den klinischen Bereich, sondern ebenso für den erotisch-voyeuristischen Blick in das verborgene Körperinnere des schönen Geschlechts genutzt. Indem nun Asma Kocjan ihre X-Ray Bilder mit roten Akzentuierungen und verführerischen Accessoires versieht, zweckentfremdet sie ebenso das bildgebende medizinische Verfahren und unterlegt es zusätzlich mit einem erotischen Sinngehalt. Mit Titeln wie „Not Yet“ oder „Another Day in Paradise“ wird dem Betrachtenden jedoch bald deutlich, dass die Erotisierung mit zwinkerndem Humor zu lesen ist.

 

Abschließend sei noch auf eine Arbeit von Asma Kocjan hingewiesen, die im kleineren Ausstellungsraum der Galerie hängt. Mit „Love Devotion Surrender“, erlaubt uns Asma bereits jetzt einen kleinen Einblick auf Ihren nächsten Schaffens-Zyklus, bei dem sie fotografische Porträt-Aufnahmen mit Malerei verbindet.

Wien, November 2018

 

Johanna Aufreiter

Dr. Johanna Aufreiter – Research Associate – Belvedere Museum Vienna

 

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